Was erzählen Mythen - und was verändert sich bei Wiedererzählung? Antike Mythen- (Theater)- Lektüre durch zwei Jahrtausende. Angeregt durch das Antikenprojekt des Deutschen Schauspielhauses werden wir fünf griechische Mythen und ihre Lesarten, Verwandlungen erkunden. Von orphischen Gesängen bis zu Hölderlins Hymnen und zum Musical Hadestown, vom Dithyrambos des Dionysos bis zu Prometheus von Ridley Scott werden wir versuchen, dem Gehalt und der Unzerstörbarkeit mythischer Narrative auf die Spur zu kommen. Theaterhistorisches Vorwissen ist nicht erforderlich. Der Besuch einer Aufführung von "Prolog/ Dionysos" im Deutschen Schauspielhaus ist geplant. Ein Seminar, welches das Format des gemeinsamen Lehrens von Dozentin und Studierenden weiterführt: mit Tristan Linder und Eva-Maria Voigtländer.

Kultur des Mythos

Welcher Deutungshorizont bestimmt unser heutiges Nachdenken über Mythen? Der der Universalisten oder der Kulturrelativisten? 
Diese Auseinandersetzung besteht noch immer, obwohl die Kritik der Sozialkonstruktivisten an Universalien nicht mehr gnadenlos ist.
Ist jede kulturelle "Realität" ein kontingentes Ergebnis gesellschaftlicher Konstruktionsprozesse ist und nur aus sich selbst heraus – den soziohistorischen, materiellen und geistigen Umständen die es bedingen – erklär- und verstehbar? Oder erforschen wir kulturübergreifende, anthropologische Komponenten, sowie das Entwerfen von Entwicklungsszenarien, die eine kulturelle Evolution fordern?

Eine kulturübergreifende Analyse mythischer und rationaler Denkstrukturen verfolgt Universalismus und Toleranz. 
Disziplinen wie die Philosophie und die Ethnologie befassen sich seit längerem mit der Erforschung des Denkens früher, archaischer Kulturen, mit dem so genannten mythischen Denken. Darunter ist eine bestimmte Form der Weltanschauung zu verstehen, die in unterschiedlichen Varianten in vielen Kulturen anzutreffen ist. Diese Weltsicht nimmt ein Wirken numinoser Mächte an und weist eine spezifische Raum-, Zeit- und Kausalitätsauffassung auf. Häufig wird die polytheistische Weltsicht als mythisch bezeichnet.

Die Verarbeitung von so genannten Mythen, vorrangig aus dem Kontext der griechischen und römischen Kultur ist jahrtausendealte Praxis in der westlichen Kultur. Man spricht etwa vom Herakles-, vom Orpheus- und vom Medea-Mythos. Unter Mythen können hier bestimmte Stoff- und Motivkomplexe verstanden werden, die in einer bestimmten Kultur (z.B. der griechischen, ägyptischen) entwickelt worden sind. Einige dieser Mythen haben später das Interesse von Künstlern, Literaten gefunden, welche neue Sinnbesetzungen des jeweiligen Stoff- und Motivkomplexes hervorgebracht haben und weiterhin hervorbringen. 

Und einigen dieser Mythen und ihrer Verwandlungen wollen wir auf die Spur kommen, eingedenk der verschiedenen Betrachtungsweisen, der zeitenüberdauernden Virulenz, der historischen Veränderungen, der Sichtbarmachung der eigenen mythologischen Zeitgenossenschaft.

Das Patriarchat wankt. Zugleich scheint es über die rätselhafte Fähigkeit zu verfügen, sich immer wieder in Form bizarrer Widergänger zu erneuern. Seit geraumer Zeit wird dieser Umstand anhand der Gedankenfigur des »alten weißen Mannes« kritisch befragt, die darauf hinweisen möchte, dass eine Konzentration von Wissen, Macht und Kapital auch weiterhin an eine bestimmte Konfiguration von Geschlecht, Hautfarbe und Alter gekoppelt ist. Das Seminar geht dieser Gedankenfigur nach. Es versucht die Begriffsperson des alten weißen Mannes in der Literatur- und Philosophiegeschichte freizulegen und die Option einer dramatischen Attacke auf sie politisch-ästhetisch in Erwägung zu ziehen

Methoden der Theatertextanalyse und Arbeit am Text


Globale Theaterhistorien II – Theater und Staat

In diesem Seminar konzentrieren wir uns auf die Entwicklung des Theaters in der Zeit von 1500 bis 1900. Im Zentrum steht die Frage, wie sich die jeweiligen Regierungsepochen und Machtsysteme auf das Theater auswirkten. Inwieweit beeinflussten sie Stoffwahl, Spielweisen, betriebliche Strukturen?

Wie war das Verhältnis von Theater und Staat in England zur Zeit Shakespeares, in Frankreich zur Zeit Molières? Wie entwickelte sich das Theater in Italien, Spanien und in Deutschland? Wir blicken auch nach Asien, denn in China und Japan entstehen neue Theaterformen und Rollentypen.

Ziel des Seminars ist es, einen Überblick der gesellschaftlichen und kulturgeschichtlichen Entwicklungen zu vermitteln. Dies geschieht anhand der gemeinsamen Lektüre und Interpretation dramatischer und theoretischer Texte.

Voraussetzung zum Erwerb von Leistungsnachweisen ist regelmäßige Teilnahme sowie die inhaltliche Vorbereitung der einzelnen Seminare. 


Der nicht mehr dramatische Text - postmoderne Theaterstrukturen

Die geläufige Hypothese, dass die weltweite Expansion des Kapitalismus in dem Moment an ihre immanente Grenze stoßen würde, in dem sie sich global etabliert hat und den gesamten Erdball umfasst, muss offensichtlich korrigiert werden. Denn auch, wenn aktuelle Imperialismen an traditionellen Formen territorialer Ausweitung festhalten, sind sie doch insgesamt in ein neues Stadium eingetreten, das weniger einer extensionalen Logik des Raums, als einer intensiven Dynamik der Zeit zu gehorchen scheint. Durch Techniken der Spekulation und Verschuldung etwa, okkupiert das kapitalistische System die Zukunft seiner Subjekte. Die Zeit wird kolonisiert, indem alle erwirtschafteten ›Gewinne‹ im Zeichen eines Kredits erscheinen, dessen Begleichung ins Unbestimmte verschoben ist. Mikrotechnologien der Überwachung und »intensive Kontrollen« (Anne Sauvagnargues) dringen in diesem Zusammenhang in die Fugen des Alltagslebens ein, um die Körper abzutasten und einem »Zeitregime der beständigen Beschleunigung« (Hans-Joachim Lenger) zu unterwerfen.

Das Seminar fragt hier nach Möglichkeiten von ästhetischer Unterbrechung und künstlerischer Intervention, wobei das aktuelle Ineinanderspiel von ›Raum‹, ›Körper‹ und ›Kapital‹ ebenso thematisch wird, wie eine unlängst von Joseph Vogl vorgeschlagene »Artistik des Schwarzmalens«. Den theoretischen Bezugspunkt bilden Texte von Autor*innen, die gemeinhin dem französischen Poststrukturalismus zugerechnet werden (Manola Antonioli, Gilles Deleuze, Michel Foucault, Félix Guattari, Luce Irigaray, Anne Sauvagnargues u.a.). 


Globale Theaterhistorien I – Kultisches Theater

Das dreisemestrige Seminar überblickt die theaterhistorischen und –ästhetischen Entwicklungen der verschiedenen Kontinente. Das Theater wird dabei immer in Bezug zu den jeweiligen gesellschaftlichen und politischen Gegebenheiten gesetzt. Dies geschieht anhand der gemeinsamen Lektüre und Interpretation dramatischer und theoretischer Texte. Nach Möglichkeit wird durch Beispiele aktueller Inszenierungen der Gegenwartsbezug diskutiert.

Wir verfolgen die Entwicklung des Theaters von den oral performances vor der Erfindung der Schrift bis hin zu den ausdifferenzierteren Formen der performativen Kunst wie der griechischen Tragödie, des japanischen No-Spiels oder des indischen Sanskrit-Theaters. Die Entstehung des Theaters aus dem kultisch-religiösen lässt sich an den mittelalterlichen Passionsspielen Europas genauso ablesen wie am Taz’ieh, dem schiitischen Trauerritual, das noch heute im Iran praktiziert wird.

 




Werkzeuge und Methoden zur Analyse dramatischer Texte